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Untreue-Prozess gegen Bad Liebensteiner Anwalt – Urteil gesprochen – Haftstrafe und Berufsverbot
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Meiningen/Bad Liebenstein – Im Prozess gegen einen Bad Liebensteiner Anwalt wegen gewerbsmäßiger Untreue in 12 Fällen ist heute das Urteil gesprochen worden, vier Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe, dazu ein sich an die Freiheitsstrafe anschließendes dreijähriges Berufsverbot. Bis das Urteil Rechtskraft erlangt – Staatsanwaltschaft und Angeklagter können gegen das Urteil in Berufung gehen – wurde dem Angeklagten ein partielles Berufsverbot auferlegt. D.h. er darf vorerst weiter als Anwalt arbeiten. Jedoch ist ihm jegliche Vermögensverwaltung für seine Mandanten untersagt.
Und auch der letzte Verhandlungstag begann wie die ersten Tage. Der Angeklagte lies das Gericht wieder einmal warten…
Im vollbesetzten Zuschauerraum stieg die Spannung. Würde er dem Prozess fernbleiben und solch eine „Nummer“ noch einmal bringen?
Entschuldigungsschreiben an die Geschädigten
Weiter führte die Verteidigung aus, dass ihr Mandant in der vergangenen Woche allen Geschädigten (die in diesem Prozess beteiligt sind, A.d.R.) einen persönlichen Brief geschickt habe, indem er sein aufrichtiges Bedauern zum Ausdruck gebracht habe. Stellvertretend für alle Geschädigten verlas Verteidiger Walker das Schreiben an Rosemarie Seidel. Jene Frau, die ihr gesamtes Vermögen verloren hat und heute in einem Seniorenheim von Sozialhilfe leben muss. Darin heißt es u.a. sinngemäß:
Es sei ihm ein persönliches Anliegen, zum Ausdruck zu bringen, dass seine Erziehung, seine Einstellung immer bodenständig waren und es nie sein Ansinnen war, ihr einen solchen Schaden zuzufügen. Er sah sich vielmehr als „Fels in der Brandung“ für seine Mandanten, habe gerne für sie gearbeitet. Er wisse um seinen schweren Vertrauensbruch. Der Brief endet mit dem Satz (sinngemäß): „Ich hoffe, es wird der Tag kommen, an dem Sie und ich uns wieder in die Augen schauen können“.
Damit wurde die Beweisaufnahme geschlossen und es standen die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an.
„Sie haben die Chance auf eine echte Entschuldigung vertan…“
Staatsanwältin Kühn begann ihr Plädoyer mit der Auflistung der Fälle, verwies auf den langen Zeitraum, in dem der Angeklagte seine Betrügereien begangen habe. Durchaus sei er dabei „gewerbsmäßig“ vorgegangen. Er habe systematisch Gelder seiner Mandanten veruntreut. Selbst seine beiden Angestellten habe er angewiesen, gegenüber der Mandantschaft keine Aussagen über den Eingang und Verbleib von Mandantengeldern zu treffen. Zwar habe der Angeklagte zwei der Geschädigten inzwischen bezahlt und zumindest diese Schulden los, aber es sei dennoch nicht zu erkennen, dass er überhaupt die Absicht hatte, seine desolate finanzielle Lage mit legalen Mitteln in den Griff zu bekommen. Das Schicksal von Rosemarie Seidel sei für das Verhalten von Norman F. am „Eindrücklichsten“, so die Staatsanwältin. Während seine Mandanten die Honorarrechnungen des Anwaltes brav beglichen, bediente er sich ihres zugesprochenen Geldes.
„Sie hatten eine echte Chance zur Entschuldigung, als zwei durch Sie Geschädigte in der vergangenen Woche hier befragt wurden. Statdessen haben Sie teilnahmslos und desinteressiert, abgewandt dagesessen, als ginge Sie das alles nichts an. Sie haben die Chance für eine echte Entschuldigung vertan!“ so Staatsanwältin Kühn. In der Vorgehensweise des einschlägig Vorbestraften sei eine Gefährlichkeit zu erkennen, die auch zukünftig nicht auszuschließen sei. Deshalb forderte sie eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten sowie ein, bis zur Rechtskraft des Urteils, eingeschränktes Berufsverbot.
Der Angeklagte verfolgt das Plädoyer der Staatsanwaltschaft, wie all die anderen Prozesstage, seinen Kopf auf seine linke Faust gestützt, teilnahmslos wirkend. Sein Blick geht ins Leere…
Die „Hexenjagd der Medien“ und der Druck der Mandanten
Für Verteidiger Walker ging es in seinem Plädoyer im Wesentlichen darum, möglichst etwas Positives für seinen Mandanten ins Feld zu führen. Das habe die Staatsanwältin weggelassen, so der Verteidiger. Immerhin wären da ein umfassendes Geständnis des Angeklagten, eine schriftliche Entschuldigung bei den Geschädigten und teilweise habe er Schadenswiedergutmachung durch Zahlung aus seinem Privatvermögen geleistet.
Sein Mandant habe immer wieder versucht „Brände zu löschen“ und sich „irgendwann nicht mehr zu helfen gewusst“ so der Verteider. Und dann packt er die Medienkeule aus. Die „Hexenjagd der Medien und der Druck der Mandanten, die ihr Geld forderten“ hätten seinen Mandanten in Not gebracht. Er habe nicht mehr gewusst, was er tun soll.
Es seien schwere Taten dabei. Diese könne man auch nicht schön reden. Aber, dass sein Mandant „gewerbsmäßig“ gehandelt habe? Nein!
Deshalb sehe er in zehn der zwölf verhandelten Fälle lediglich den Tatbestand der „einfachen Untreue“. Wie müssen sich Geschädigte vorkommen, wenn ihr Fall als „einfache Untreue“ abgetan wird? Wer oder was entscheidet letztendlich über einfach oder schwer?
Das der Angeklagte gegenüber seinen Opfern vor Gericht kein Wort der Entschuldigung gefunden habe, sei der schwierigen Gesamtsituation geschuldet, welche seinen Mandanten privat und persönlich schwer belaste, dazu die mediale Hexenjagd….
Das Strafmaß lege er „in die Hände des Gerichtes“, mit diesen Worten beendete der Verteidiger sein Plädoyer. Und irgendwie passt das ins Gesamtbild des Prozesses. Warum kam es doch gleich nochmal zu diesem und weiteren Prozessen?
Habe versucht, dass Dinge funktionieren…
Das letzte Wort vor der Urteilsverkündung steht immer dem Angeklagten zu. Norman F. nutzt wenigstens diese Chance, erhebt sich von seinem Platz und wendet sich an die Kammer. Was geschehen sei, wäre „weder seine Art und widerspreche seiner Auffassung vom beruflichen Tun“ beginnt F. Er sei auch kein „George Clooney, der nach Aufmerksamkeit und Beachtung strebe“. Als Anwalt und Familienvater habe er „immer versucht, dass Dinge funktionieren“. Das alles habe ihn sehr belastet. Man könne durchaus, wie die Staatsanwältin, den Eindruck gewinnen, das Verfahren würde an ihm teilnahmslos vorüber gehen. Doch in ihm sehe es ganz anders aus. „Ich habe schwer damit zu tun. Ich musste Beruhigungsmittel nehmen um das alles hier durchzustehen“ beendet er seinen Wortbeitrag. Wie es seinen Opfern geht? Darüber redet er nicht. Wie auch? Es hat ihn ja nie interessiert…
Die Verhandlung wird unterbrochen. Die Kammer zieht sich zur Beratung zurück. Um 10.30 Uhr soll das Urteil verkündet werden.
Im Namen des Volkes…
Kurz nach halb elf ist es dann soweit. Die Kammer betritt den Gerichtssaal. Die Anwesenden stehen auf und dann wird das Urteil verkündet. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“ beginnt der Vorsitzende Richter Feld-Gerdes die Urteilsverkündung. Norman F. macht dass was er den ganzen Prozess getan hat. Er starrt ins Leere, hört zu.
Mit vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe bleibt das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Doch das Gesamturteil hat viel weitreichendere Ausmaße als es für Außenstehende zunächst ausschaut. Richter Feld-Gerdes geht nun zur Urteilsbegründung über. Und die dauert gut eine Stunde.
Norman F. stehe nach zwanzig Jahren anwaltlicher Tätigkeit, in der er auch erfolgreich tätig war, nun vor „dem Scherbenhaufen seiner beruflichen Laufbahn“ so der Richter. Zu keinem Zeitpunkt habe der Angeklagte eine „legale Bewältigungsstrategie entwickelt“. Vielmehr habe er kaum Eigenverantwortung gezeigt und übernommen. Besonders verwerflich sei die Tatsache, dass er „gegen die Kardinalspflicht eines Anwaltes über langen Zeitraum grob verstoßen habe. Als Anwalt und damit Organ der Rechtspflege, habe der Angeklagte das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat und die Rechtssprechung erheblich beschädigt.“ so die Begründung der Kammer.
Das Alles sei „kein Augenblickversagen oder psychisch bedingt. Der Angeklagte habe Verschleierungs- und Verzögerungsstrategien entwickelt.“ heißt es weiter. Norman F. habe nicht davor gescheut, Mandantengelder direkt auf sein Privatkonto zu überweisen, ein Indiz dafür, dass es ihm nicht darum ging seine Angelegenheiten endlich zu regeln, sondern vielmehr um seinen gehobenen Lebensstil zu finanzieren. Seit Mitte 2011 sei die Kanzlei in finanzieller Schieflage gewesen, aber es sei nicht erkennbar, dass F. versucht hat „die Kurve“ zu kriegen. Er habe immer weiter gemacht. Den 120.000,- € Schulden zu Beginn seiner Selbständigkeit stehen nun mehr als 260.000,- € gegenüber. Dazu fordert die Finanzbehörde mehr als 630.000,- €. Das Insolvenzverfahren ist im Gange, Gläubiger werden wohl leer ausgehen. Und F. hat immer weiter gemacht. „Wenn man jemanden das Geld wegnimmt, um es einem zu geben, den man auch schon bestohlen hat und dann wieder jemanden bestiehlt, um es einem anderen Bestohlenen zu geben, kann man nicht von versuchter Schadenswiedergutmachung reden“ so Feld-Gerdes. Deshalb muss man von gewerbsmäßiger Untreue ausgehen, erklärt die Kammer.
Auf den Fall von Rosemarie Seidel Bezug nehmend, richtet sich der vorsitzende Richter an Norman F. „Diese alte und schwerkranke Frau hat sich Ihnen als Anwalt anvertraut. Sie hat Ihnen vertraut und ihr gesamtes Vermögen in Ihre Hände gegeben! Anstatt sich um die Angelegenheiten der Frau zu kümmern, haben Sie die Dame, mit Plan und Bedacht, um ihr gesamtes Vermögen gebracht! Mit dem Geld hätte die Frau, welche heute in einem Seniorenheim von 1.200,- € Rente und Sozialhilfe leben muss, ihre Heimkosten locker tragen und sich auch die ein oder andere Annehmlichkeit leisten können.“
„DAS ist der Gipfel, an Dreistigkeit kaum zu überbieten“ bringt es Feld-Gerdes auf den Punkt!
Das Gesetzbuch sieht für den Tatbestand der gewerblichen Untreue einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Die Kammer hat zur Urteilsfindung jeden der Fälle einzeln betrachtet und mit einem Strafmaß versehen. Das hier schon zwölf Jahre und acht Monate zusammenkamen, spricht Bände. Und dann war da ja noch die vorherige Strafe, welche in die zu bildende Gesamtstrafe einbezogen werden musste. Somit standen zwanzig Straftaten, von denen neun Taten bindend abgestraft waren, zu urteilen an. Daraus galt es eine Gesamtstrafe zu bilden, welches an viele Punkte gebunden ist. Vier Jahre und drei Monate heißt es anschließend…
Urteil mit weitreichenden Folgen…
Das Gesamtstrafmaß sorgte bei einigen der Anwesenden, darunter auch Geschädigte, für Kopfschütteln. Richter Feld-Gerdes erklärt dazu: „Das Urteil führt für den Angeklagten zwangsläufig zum Ausschluss aus der Anwaltskammer. Der Entzug der Zulassung wiege schwerer als das verhangene Berufsverbot. Um eine Neuzulassung als Anwalt beantragen zu können, bedarf es einer Wohlverhaltensphase von 15-20 Jahren“. Ein partielles Berufsverbot, d.h. der Anwalt könnte weiter unter Auflagen arbeiten, sah die Kammer als nicht ausreichend. Sie sehen vielmehr die Gefahr, dass es zu Wiederholungtaten kommen könnte, wenn der Angeklagte wieder Mandantengelder annehmen würde. Er sei nicht geläutert, meinte die Kammer.
Das komplette Berufsverbot schließt sich an die zu verbüßende Haftstrafe an. Insofern ist davon auszugehen, dass der heute 50jährige Norman F. nie wieder als Anwalt tätig sein wird. Bis das Urteil rechtskräftig ist, gilt ein partielles Berufsverbot. F. darf weiter arbeiten, ohne Mandantengelder verwalten zu dürfen.
Nun haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung eine Woche Zeit gegen das Urteil Berufung einzulegen. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass der Angeklagte davon Gebrauch machen wird. Dann geht das ganze Verfahren an den Bundesgerichtshof und somit an die letzte Instanz…
PS.: Wie der verurteilte Straftäter Norman F. eine Kanzlei mit einer Angestellten, seiner mitarbeitenden Ehefrau auf 600,- € Basis, bei monatlichen Kosten für die Unterstützung seiner Kinder von 600,- € – 800,- € und einem Insolvenzverwalter mit monatlichen 500,- € Kosten, bei eigenem Einkommen von 2.500,- € netto und rückläufigen Mandaten nun auch noch einen Prozess vor dem BGH finanziert (eigene Angaben des Angeklagten im Prozess, A.d.R.) fragen sich aktuell viele Leser. Wir haben momentan keine Antwort darauf. Man darf gespannt sein…