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Skrupellos oder bemitleidenswert? Die Gesichter der Yvonne K. – eine Prozessnachbetrachtung
Meiningen – Eine 47jährige Ex-Anwältin aus Meiningen musste sich am vergangenen Montag (22.04.24) vor dem Landgericht Meiningen verantworten. Geplant waren zwei Verhandlungstage.
Der Vorwurf: Die Angeklagte, eine ehemalige Rechtsanwältin, soll im Jahr 2019 ein Mandat zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen ihrer Mandantin und deren 3 minderjährigen Kinder aus einem Verkehrsunfall übernommen haben.
Sie soll im Rahmen des Mandatsverhältnisses über 400.000, – € eingenommen und dieses größtenteils nicht an ihre Mandanten weitergeleitet haben.
„Fast dankbar, dass es jetzt so gekommen ist!“
„Ich bin jetzt fast dankbar, dass es so gekommen ist“ erklärte Yvonne K. in ihrer Einlassung (d.h., die Angeklagte kann sich zu den Vorwürfen äußern; i.A.d.R.) zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem Meininger Landgericht am 22.04.24.
Da hatte sie sicherlich noch nicht damit gerechnet, dass die Kammer ohne den geplanten zweiten Prozesstag so schnell zu einem Urteil finden würde.
Doch von vorn.
Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften eröffnete sie mit einem Kollegen eine Gemeinschaftskanzlei in Meiningen. Ab dem Jahr 2013 gingen beide Rechtsanwälte getrennte Wege. Yvonne K. führte die Kanzlei in der Sachsenstraße fortan allein. 20.000 € an Forderungen soll sie aus alten Fällen vor sich gehabt haben. Also Schulden, welche sie „bedienen “ (selbst aufbrigen, A.d.R.) musste.
Mehr Schein als Sein?
20.000, – € an Forderungen, welche an sich für eine Rechtsanwältin, in Erwartung weiterer Mandantschaft und Zahlungseingängen, machbar erscheinen. sollten. Aber die Anwältin bekam ihre Kanzlei nicht in den Griff. Woran es lag, bleibt offen. Keiner fragt nach…
Gerichtsvollzieher gaben sich, über Jahre, die Klinke in die Hand. So wurden mehrfach Umsatzsteuerschulden gepfändet, was den logischen Schluss zulassen muss, dass es auch Umsätze in prozentualer Größenordnung gegeben haben muss. Vor Gericht rechnet sich die Beklagte aber arm. Keiner fragt nach…
„Meine Mandantin hatte einen Quartalsgewinn von gerade einmal 6.000, – €“, versuchte Verteidiger Korn die Situation zu erklären. Andere Quartale nannte er nicht. Aber auch hier, fragt keiner nach…
Ich habe mich geschämt, niemanden anvertraut…
Aber irgendwie verstand es die Beklagte, dass alles vor Lebenspartner und Familie zu verbergen, so erklärt es die 47jährige Mutter dem Gericht. Ihre Scham als Rechtsanwältin nicht wirtschaftlich arbeiten zu können, habe sie gehemmt sich zu öffnen.
Da schien der Fall von Mandy Ewald und ihren drei minderjährigen Kindern im Jahr 2019 „gerade recht“ zu kommen. Beide Parteien kannten sich aus einem vorherigen Mandat. Darüber hinaus waren deren Lebenspartner Arbeitskollegen.
Mandy Ewald, die mit ihren Kindern Tonny, Lindsay und Anne-Sophie bei einem schweren Verkehrsunfall zu Schaden kam, konnte auf Grund ihrer Verletzungen nicht selbst in der Sache tätig werden. Wie bei Mandaten üblich, erteilte sie Rechtsanwältin Yvonne K. eine Handlungsvollmacht. Ein fataler Fehler wie sich noch herausstellen sollte…
Zunächst schien auch alles in geordneten Bahnen zu laufen. Die Anwältin gab vor sich zu kümmern, aber es dauere noch. Die Versicherung des Unfallgegners begann zu zahlen, ohne ein vorheriges Gerichturteil! Allerdings wusste Mandy Ewald davon nichts. Yvonne K. stellte Anträge auf Kostenerstattung für Verdienstausfall und Sachkosten. Die Versicherung des Unfallgegners zahlte, aber davon kam nichts bei den Ewalds an. Auf Nachfragen, wann denn die Allianz endlich zahlen würde, kamen nur Ausflüchte und Lügen der Beklagten.
Als die Nachfragen von Mandy Ewald vehementer wurden, leitete die Angeklagte kleine Teile der von der Allianz gezahlten Beträge an die Unfallopfer weiter. Das WhattsApp-Protokoll zwischen Mandy Ewald und Yvonne K., welches die Staatsanwaltschaft in die Beweisaufnahme einführte, zählte mehr als 130 Seiten. Einzelne seiten wurden im Prozess verlesen,
Tochter Anne-Sophie zog sich bei dem Unfall schwerste Verletzungen zu. Sie ist zu 100 % schwerbeschädigt und wird Zeit ihres Lebens ein schwerer Pflegefall bleiben. Jeder Leser kann ermessen, wie wichtig hier die finanzielle Unterstützung der Familie ist. Vor allem ging es für die Ewalds, eine Familie, der das Schlimmste passiert ist darum, für Anne-Sophie die maximale Versorgung gewährleisten zu können. Doch wo war das Geld? Keiner fragt nach…
Die vermeintliche Freundin der Familie Rechtsanwältin Yvonne K., begleitete die Mutter einmal im Monat in die Klinik nach Frankfurt/M. Sie kannte Annes Zustand und dennoch hatte sie keine Skrupell vereinnahmte Ewald – Mandantengelder zurückzuhalten.
Im Zeitraum vom 25.10.19 – 17.05.22 überwies die Allianz insgesamt 467.018,47 € für Anne-Sophie auf das Kanzleikonto. Am 26.04.22 dann noch 47.207,69 für Mandy Ewald. Für den behindertengerechten Umbau der Wohnung nochmal über 80.000, – €. Bei den Unfallopfern angekommen sind lediglich 102.660,45 €. Ihr Anwaltshonorar, lies sich Yvonne K., gegen Quittung, in bar auszahlen. Der Grund liegt auf der Hand – Kontopfändungen…
In den Jahren 2020 und 2022 stand die heute 47jährige Meiningerin wegen Untreue schon 2x vor Gericht. Ihr Auto wurde gepfändet und versteigert, wie das nachfolgrnde Wertgutachten beweist. Bezahlt hatte sie es mit Mandantengeldern.
Eine Anwältin, die 2x vor Gericht rechtskräftig verurteilt wird, ohne eigene Kanzlei, ohne eigenes Fahrzeug und in der Familie nimmt das keiner wahr? Nichteinmal der Ehemann, der später sogar eine eidesstattliche Versicherung abgeben wird, in der er beeidet, dass er für den Unterhalt seiner Frau sorgen könne…
Erstaunlicherweise war ein Teil der Familie am Montag vor Ort… Aber wieder, keiner fragt nach…
Jedes Mal kam Yvonne K. mit einer Bewährungsstrafe davon. Aber, dass hielt sie. nicht davon ab weiter Mandantengelder zu veruntreuen. Schon eine Woche nach dem Urteilsspruch des Amtsgerichtes Meiningen hat sie gegen die Bewährung verstoßen. Nur einen Monat später, gar über 90.000, – € entgegengenommen und nur teilweise weitergeleitet!
Sogar ein bereits behindertengerecht umgebautes Haus in Wasungen hatte man sich zusammen angesehen, Gespräche mit dem Verkäufer geführt, Zukunftspläne geschmiedet. Für die Ewalds ein kleines bisschen Zuversicht. Aber was sie nicht ahnten, ein Großteil des Geldes war schon weg.
„Wir waren Freundinnen, haben uns besucht, sind mit den Kindern ins Schwimmbad und sogar in den Urlaub gefahren!“ sagt Mandy Ewald aus. Für die Ex-Anwältin war es nur ein Mandat. Später lenkt sie ein, doch eine Freundschaft mit Familie Ewald gehabt zu haben.
Am 14.06.22 wurde Yvonne K. aus dem Register der Anwaltskammer Thüringen gelöscht. Warum dies bei der bereits zweimal verurteilten Straftäterin nicht schon lange passiert ist, bleibt eine der Fragen.
Ob sie aus der Anwaltskammer geworfen wurde oder selbst gegangen ist, wie sie in der Verhandlung behauptete, lässt sich nicht klären. Ihre Kanzleiräume sind auch Geschichte. Nur die Überreste ihres Firmenschildes am Eingangstor lassen auf sie schließen. Die Familie merkt nichts? Keiner fragt nach?
„Es war ja nicht ein großer Betrag, den ich weggenommen habe. Am Ende war ich von der Summe selbst überrascht als ich die vorgelgt bekam“ erklärte die Ex-Anwältin vor Gericht. „Ich habe sie ja nicht gefahren, weil ich berechnend bin und ein großer Geldbetrag dahinterstand.“ führt sie weiter aus…
Wie bewertet man solch eine Aussage? Ist die Angeklagte eiskalt berechnend oder bemitleidenswert?
Betrachtet man einmal die Herangehensweise von Frau K. in Vorbereitung auf den bevorstehenden Prozess, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass es ihr nur darum ging, möglichst schadlos aus dem Verfahren zu kommen. Alles legitim, aber vielleicht ahnte sie schon, dass es diesmal mit einer Bewährungsstrafe eng werden könnte.
Der Versuch einer außergerichtlichen Einigung, ein Entschuldigungsschreiben ihres Anwaltes, ihre Einlassung zu den Taten, ihre Mitwirkung bei den Befragungen, die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung, ihre Entschuldigung vor Gericht, ihre Beteuerungen, dass sie lieber heute als morgen den Ewalds aus der gepfändeten Summe etwas geben würde. Der „schwarze Peter“ lag da schon fast bei der Staatsanwaltschaft und dem Gericht… – Alles Punkte, welche die Kammer bei der Urteilsfindung/Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen muss! Und auch eine EX-Anwältin weiß das… Aber reicht das diesmal?
Fünf Jahre und sechs Monate lautete das Strafmaß der Kammer, die damit ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft blieb. Eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, wie es die Verteidigung forderte kam für die Kammer nicht in Betracht. Dabei verwies dieser doch auf die schwere Coronazeit und viel schlimmere Täter wir z.B. EX-Bayern Präsident Ulli Hoeneß. Ein Hohn, angesichts dessen, was Yvonne K, im Wissen um das Ringen der Ewalds um Hilfe und Unterstützung, getan hat!
Offensichtlich war sie überzeugt mit ihrer „Masche“ immer weiter davon zu kommen.
„Wenn du da jetzt rein gehst, sehe ich meine Kinder nicht mehr!“
Als sich Mandy Ewald im Februar 2023, gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, auf den Weg zur Polizei nach Meiningen macht, um Anzeige gegen ihre „Freundin“ zu stellen, steht diese plötzlich neben ihr auf dem Parkplatz.
„Wenn du da jetzt rein gehst, sehe ich meine Kinder nicht mehr!“ soll Yvonne K. gesagt haben. Einen Tag später überwies sie 50.000, – € auf das Konto von Mandy Ewald. „Rechtsanwältin“ steht auf dem Überweisungsbeleg. Schon über ein Jahr ist sie das nicht mehr… Woher das Geld stammte, bleibt offen. Und wieder fragt keiner nach.
Vierzehn Tage später erstattet Mandy Ewald dann doch Anzeige und bringt damit den Stein ins Rollen.
Im Prozess versuchten die Angeklagte und ihr Verteidiger die Situation der Taten als eine Verknüpfung unglücklicher Umstände darzustellen. Die Belastung nach der Aufgabe der Gemeinschaftskanzlei, Corona und die damit verbundenen Einschränkungen, die Scham etc… Wie es in dieser Zeit Mandy Ewald erging? Dazu kein Wort. Aber die Staatsanwältin fragt nach!
Zumindest eine Summe von 112.799,- € + 20.000,- € aus der Versteigerung des Autos wurden gepfändet und könnten, insofern es keine anderen vorrangigen Pfändungen gibt, an die Ewalds fließen. Könnten…
Man hätte der Angeklagten beinahe glauben können, dass sie ihr verwerfliches Handeln erkannt, reflektiert und bereit wäre, dafür gerade zu stehen. Nach der mündlichen Urteilsverkündung am 22.04.24, welche die Angeklagte mit versteinerter Mine verfolgte, kündigte sie, nur wenig an in Revision zu gehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und durch die angekündigte Pevision wird es Monate dauern bis es eine Entscheidung gibt. Deshalb werden die gepfändeten Beträge weiterhin gepfändet bleiben. Für die Ewalds eine unerträgliche Situation.
Es ist, und das sei deutlich gesagt, in unseren Rechtsstaat, ihr „gutes Recht“! Nach der mündlichen Urteilsverkündung am Montag (24.04.24) haben Anklage und Verteidigung eine Woche Zeit Rechtsmittel einzulegen. Das hat Yvonne K. gemacht. Es ergeht ein schriftliches Urteil an Yvonne K. und ihren Verteidiger, auf dessen Grundlage sie, innerhalb eines Monates, ihren Revisionsantrag ausführlich begründen müssen. Die Chancen auf eine erfolgreiche Revision dürften denkbar schlecht stehen. Nicht einmal 3 % aller Anträge wird stattgegeben. Ziel der verurteilten Ex-Anwältin dürfte es sein, die rechtliche Beurteilung des Urteils durch ein höheres Gericht überprüfen lassen. Mögliche Revisionsgründe können Verfahrensfehler, der Schuldspruch und/oder das Strafmaß sein.
Am Ende dieses Prozesses bleiben dennoch viele Fragen offen.
Zeigte Yvonne K. ehrliche Reue? Ging es ihr wirklich um Wiedergutmachung, wenn es das überhaupt in einem solchen Fall gibt? Oder zeigt ihre Ankündigung der Revision worum es ihr wirklich ging, sich selbst zu schützen?
Vielleicht ist der Satz, den ihr Mandy Ewald noch im Gerichtssaal unter Tränen entgegnete, als Yvonne K. sie scheinbar für eine Entschuldigung von hinten ansprach, die Wahrheit?
„Nein, Du hattest deine Zeit!“