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Müssen Blitzer eigentlich einen gewissen Abstand zu Schildern einhalten?

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C MKD [thüringen]/Symbolbild

Im Verkehrsrecht hört man als Anwalt häufig die Frage, ob denn der Blitzer überhaupt vor dem Schild hätte stehen dürfen? Rechtsanwalt Alexander Held, Fachanwalt für Verkehrsrecht, erklärt in diesem Beitrag, wie es um die Abstände bei Geschwindigkeitsmessungen steht.

Die Richtlinien der meisten Bundesländer sehen die Einhaltung eines bestimmten Mindestabstands der Geschwindigkeitsmessung zu dem Verkehrsschild vor, das die Geschwindigkeit beschränkt. So sollen gefährliche Gewaltbremsungen im Bereich dieser Verkehrsschilder verhindert werden. Nur in Ausnahmesituationen, wie an Gefahrenstellen oder nach Geschwindigkeitstrichtern, kann von dieser Vorgabe abgewichen werden.

Eine von Sobisch in DAR 1/2010 veröffentlichte Auswertung aktueller Richtlinien der Bundesländer ergibt hinsichtlich des vorgeschriebenen Messabstands folgendes Bild:

Berlin: 75 m vor und nach Verkehrsschildern, welche eine Geschwindigkeitsänderung anzeigen; vor und nach Ortschildern gelten 150 m

Hessen: 100 m

Rheinland-Pfalz: 100 m

Sachsen-Anhalt: 100 m

Mecklenburg-Vorpommern: üblicherweise 100 m; auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen 250 m

Baden-Württemberg: 150 m

Brandenburg: 150 m

Bremen: 150 m

Niedersachsen: 150 m

Schleswig-Holstein: 150 m

Sachsen: 150 m

Bayern: grundsätzlich 200 m

Thüringen: 200 m

Hamburg: kein Mindestabstand vorgegeben

Nordrhein-Westfalen: kein Mindestabstand vorgegeben

Saarland: kein Mindestabstand vorgegeben

In den Bundesländern, in denen keine Mindestabstände vorgegeben sind, heißt dies nicht, dass dort wahllos geblitzt werden darf. Es ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls, ob eine Messung verwertbar ist oder nicht. Es muss demnach beachtet werden, dass jeder Verkehrsteilnehmer seine Geschwindigkeit so einzurichten hat, dass bereits mit dem Passieren des Verkehrsschilds die durch das Verkehrsschild vorgegebene Geschwindigkeit eingehalten werden kann. Dass dann die Verkehrsschilder auch für den Verkehrsteilnehmer gut sichtbar angebracht sein müssen, versteht sich von selbst. Ohne sichtbare Schilder kann der Verkehrsteilnehmer seine Geschwindigkeit nicht anpassen, da grundsätzlich gilt, dass Schilder mit einem raschen und beiläufigen Blick erfasst werden können müssen. Die Rechtsprechung gesteht aber den Verkehrsteilnehmern zu, dass mit einem gewissen Abstand zwischen Verkehrszeichen und Messstrecke gerechnet werden kann. In den Bundesländern, in denen keine Angaben über einen Mindestabstand bestehen, muss berücksichtigt werden, dass kein Verkehrsteilnehmer zu einer nicht zumutbaren Vollbremsung im Bereich hinter dem Verkehrszeichen gezwungen werden soll.

Wichtig ist aber auch, dass die Richtlinien häufig Ausnahmesituationen vorsehen, in denen der Messabstand geringer sein darf. Dies gilt zum Beispiel bei besonders gefährdeten Verkehrsbereichen wie Schulen, Kindergärten und Fußgängerzonen.

Es kann sich also durchaus lohnen, im Einzelfall die gültigen Abstände und Richtlinien zu prüfen. In vielen Fällen, wo einzelne Vorgaben der Richtlinien unbeachtet blieben, kann sogar von einem Fahrverbot abzusehen sein. Selbst die Einstellung des Verfahrens kann bei Verstößen zulasten der Verkehrsteilnehmer geboten sein. Je deutlicher die Verkehrsbehörde über die oben genannten Vorgaben verstößt, desto wahrscheinlicher ist ein für den Betroffenen günstiger Ausgang des Einspruchsverfahrens.

Übrigens gelten die genannten Abstände nicht für Messungen, die vor dem Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung durchgeführt werden. Wenn ein Betroffener also vor dem die Geschwindigkeitsbeschränkung auflösenden Schildes geblitzt wurde, sind die oben genannten Abstände nicht zu berücksichtigen.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Richtlinien und Erlasse der Bundesländer zur Durchführung der Geschwindigkeitsüberwachung häufigen Änderungen unterliegen.

 

Habt ihr Fragen zu diesem oder anderen Themen, dann schreibt uns an: inselsberg-online.de oder kontakt@mkd-thueringen.de. Hinweis in eigener Sache: Dieser Beitrag ist ein Rechtstipp und ersetzt keine Rechtsberatung!

 

Zur Person:

www.held-strafverteidiger.de

 

Als Fachanwalt gehört Alexander Held zum Kreis der Anwälte, die sich auf das Verkehrsrecht spezialisiert haben. Daneben konzentriert und fokussiert er sich als Fachanwalt für Strafrecht auf die Verteidigung seiner Mandanten in strafrechtlichen Fällen und besitzt eine ausgezeichnete Erfahrung als Strafverteidiger aus bundesweiten, zum Teil großen und durch die Medien bekannt gewordenen Strafprozessen. Zudem ist Rechtsanwalt Held Lehrbeauftragter für Europa-Recht sowie Referent am Bildungszentrum der Thüringer Polizei und veröffentlicht Publikationen in der Zeitschrift VekehrsRechtsReport.

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